Modisch, arrogant, oberflächlich. Hipster, halt. Das ist der erste Eindruck, den mir Facebook und Instagram von Pool vermitteln – während ich mich auf das Interview mit den drei Jungs aus Hamburg vorbereite festigt sich das Bild in meinem Kopf immer mehr. Hornbrillen, Nike Air Max, ironische Selfies & Hashtags und eine gewollt internationale Attitüde, durch ausschließlich englische Postings. Dazu noch ein relativ leichter Indie-Electro-Sound, der einem von Bands wie Sizarr, Metronomy und I Heart Sharks bekannt vorkommt: Ich glaube genau zu wissen, wer mich da nachher zum Gespräch erwarten wird. Die klassische aufstrebende Band aus Jung-Hipstern, die etwas zu viel von sich hält, als es angemessen wäre. Sonderlich sympathisch ist mir das nicht, entsprechend vorbehalten radele ich durch die Juni-Sonne zum Exit-Club in Düsseldorf.
Ihr habt vor kurzem in Berlin das Video zu eurer neuen Single gedreht, sie heißt: „Pink Pussy“ – sagt mal: Katze oder Vagina, wovon singt ihr da?
David: Ich würde das ungerne festlegen wollen. Eigentlich geht es bei dem Song um den Kontrast zwischen Musik und Text. Man hat auf der einen Seite eine absolut verweichlichte, harmlose Musik und dazu einen Text der kontrovers und polarisierend ist – man ist quasi geschockt, dass etwas passiert, was man eigentlich in dieser Mischung nicht erwartet hätte. Im Endeffekt hat sich der Text dann auch daraus ergeben, dass es einfach zu kitschig gewesen wäre, wenn man zum Beispiel: „You have the world’s most beautiful eyes“ gesungen hätte.
Ihr seid bei Twitter, Facebook, Instagram und Snapchat. Für wie wichtig haltet ihr so eine Medienpräsenz, wenn es darum geht sich als Band zu etablieren?
Daniel: Da ich privat eigentlich gar nicht in diesen ganzen sozialen Medien unterwegs bin, habe ich persönlich so gar keine Gewichtung darauf, aber ich glaube schon, dass es total wichtig für eine Band ist präsent zu sein. Gleichzeitig ist es total unwichtig, was man genau postet, solange man authentisch ist. Bei uns sind die Aufgaben auch klar verteilt: ich kümmere mich um Twitter, David um Facebook und Nils ist für Instagram zuständig.
David: Ich glaube, dass soziale Medien gar nicht so wichtig sind, wie sie immer gemacht werden. Es ist natürlich schon cool das als Imageförderung zu nutzen. Wenn man es zum Beispiel so macht wie wir und sich dafür entscheidet, dass wir als Menschen für unser Publikum eher nahbar sein möchten, dann kannst du natürlich durch soziale Netze derbe viel machen, um dich als Band transparent darzustellen. Die Leute fühlen sich dann fast so als kennen sie dich und könnten morgen mit dir rumhängen. Aber wenn es wirklich nur um die Frage geht, ob die Medienpräsenz dich in deiner Karriere krass vorantreibt, dann gibt es ganz wenige Fälle, wo das allein dadurch funktioniert. Dahinter muss immer noch primär gute Musik stehen. Wenn du keine erfolgreichen Songs produzierst, ist auch die heftigste Medienpräsenz scheißegal.
Nils: Ich glaube es ist einfach die Frage, wo du stattfinden möchtest als Band – also, wer deine Zielgruppe ist. Und wir haben uns halt entschieden in den sozialen Medien stattzufinden, darum ziehen wir das jetzt durch.
Du sprichst Zielgruppen an, wen würdet ihr als eure Zielgruppe definieren?
Nils: Momentan ist das von Stadt zu Stadt noch sehr unterschiedlich – von 16 – jährigen Girls bis zu 35 – jährigen Dudes ist alles dabei. Und manchmal sind sogar noch ältere Leute da, die das irgendwie feiern. Wir sind gerade auch noch in einer Phase, wo sich noch rauskristallisieren wird, wohin das alles geht.
Eine weitere Textinterpretationsfrage ist mir beim vorletzten Song eures Albums in den Kopf gekommen: „Fargo“ – besteht da eine Verbindung zur amerikanischen Serie?
David: Das ist eine lustige Frage. Ein Wort im Text ist „Hallebaluh“ – das bedeutet soviel wie Tohuwabohu und das ist eigentlich genau das worum es bei dem Song für mich ging: die ganze Verwirrung, die man alltäglich erlebt. Das gesamte Album beschäftigt sich ja lyrisch mit „Coming of Age“ – Themen. Eine Zeile in dem Song heißt „Take me back to the place where I was born“ – das beschreibt quasi ein gewisses Fernweh. Und „Fargo“ habe ich dann aus „go far away“ konstruiert. Ich fand den Wortklang irgendwie geil und dann habe ich als allererstes auch gedacht: da gibt’s ja diesen Film und diese Serie, aber dann habe ich nochmal gegooglet und rausgefunden, dass es eine Stadt ist. Und dann hab ich einfach beschlossen, dass es einfach ist wie „go far away“ – „Fargo“. Als würde man nach Fargo gehen wollen.
Nils: Die Serie ist trotzdem übertrieben nice, auch geiler als der Film.
Ihr macht Musik zusammen seit ihr 13 seid. Wann habt ihr euch entschieden, dass die Musik mehr als nur ein Hobby sein soll?
David: Ich habe direkt nach dem Abi begonnen Praktika zu machen und danach habe ich fest bei einem Label gearbeitet. Es ist halt so, dass du als kleiner Mensch keine wirklichen Anschlusspunkte an die echte Musikwelt hast – du kannst zwar ab und an mal in kleinen Clubs auftreten oder als Support für eine Band, wie wir zum Beispiel heute sind, spielen. Das ist auch cool und wichtig, um überhaupt erstmal anzufangen. Aber die Möglichkeit zu bekommen, irgendwann mal mit einem Label-Menschen sprechen zu können ist ultra – schwierig und man fragt sich, wie man das anstellen soll. Ich weiß noch, dass ich unsere erste EP an diverse Leute verschickt habe. An die Intro zum Beispiel habe ich die dreimal geschickt und da kam nie eine Antwort – bis auf das eine Mal, wo ich eine E-Mail-Adresse vom internen Verteiler gefunden habe: „Bitte schreiben Sie keine Emails mehr an diese Adresse.“ – Und das war halt alles. Das geht dann solange, bis du Leute findest, die da schon drin sind und dich geil finden und sich bereit erklären, dir unter die Arme zu greifen. Es läuft am Anfang eben doch erstmal über Kontakte. Ich habe also meine Praktika gemacht, mich dann halt noch etwas bei der Chefin eingeschleimt, wir durften dann ab und an und hier und dort mal auftreten und später waren wir dann auch wirklich bei dem Label unter Vertrag.
Das war 2012, wie hat sich die Band seitdem in euren Augen entwickelt?
Nils: Ich glaube man wächst halt mit seinen Ansprüchen; ich habe immer das Gefühl, dass ich, je weiter wir kommen, auch häufiger denke, dass wir immer noch ganz am Anfang stehen. Aber der Punkt ist, dass mein „ganz am Anfang“ davor einfach noch anders abgesteckt war. Ich würde aber selbst über eine Band wie SIZARR nicht sagen, dass die jetzt schon krass was geschafft haben. Die können jetzt von ihrer Musik leben und Konzerte vor 300 Leuten im deutschsprachigen Raum spielen, das bietet jetzt aber auch nicht die Perspektive, dass die in 10 Jahren noch davon leben können. Man wächst eben mit seinen Ansprüchen und ob die Ansprüche in 10 Jahren immer noch mit dem Stand des Levels, den sie jetzt haben gedeckt sind, das ist halt die Frage.
Welche Ansprüche stellt ihr euch selbst für die nächste Zeit?
Daniel: Eine stetig steigende Besucherzahl und ein bisschen Geld mit der Musik verdienen zu können.
David: In nächster Zeit stehen noch zwei Videos aus, das eine was wir am Freitag in Berlin gedreht haben und noch eins. Das Ziel ist im nächsten Frühjahr das neue Album zu veröffentlichen. Es geht darum weiterzumachen und sich nicht auf den ersten paar Erfolgen auszuruhen.
Ihr habt mal gesagt, auf musikalische Vorbilder wollt ihr euch nicht einigen. Könnt ihr euch denn festlegen, von wem ihr euch gerne mal remixen lassen würdet?
Nils: Ein früher Ritterschlag für uns war, dass Stimming einen Remix von uns gemacht hat. Von der Produktionsweise und Soundästhetik her war er damals unser Idol.
David: Wir haben uns sicherlich auch einen Wunsch damit erfüllt als Aeroplane einen Remix von uns gemacht hat. Aber es gibt unglaublich viele Leute im elektronischen Bereich, bei denen ich mich freuen würde, wenn sie uns mixen würden. Floating Points fände ich spannend oder Roosevelt – der ist einer meiner Lieblingsproduzenten.
Noch eine letzte Frage, die ihr sonst wahrscheinlich immer zu Beginn hört: euer Name „Pool“, was bedeutet der?
David: Wir hatten in unserer Bandkarriere schon viele Namen und die waren immer sehr bedeutungsschwanger, bemüht und gewollt. Aber wir haben auch in dieser Zeit schon einen ähnlichen Sound gemacht wie heute – sehr melodiös und dynamisch. Es ging darum etwas zu finden, was uns langfristig gefällt – deshalb war das Wort „Pool“ einfach praktisch, weil es eine positive Assoziation für uns drei hatte. Weil es einfach eine coole Vorstellung ist entspannt am Pool zu liegen oder eben auch Billard zu spielen. Es ist völlig unwichtig, was man genau darunter versteht, sondern es geht um dieses positive Lebensgefühl. Und bei „Pool“ habe ich einfach keine negativen Gefühle, wenn ich das höre. Und darum heißen wir jetzt so.
Leichtigkeit. Lässigkeit. So sehen sich Pool, so wollen sie verstanden werden. Und so sehe ich sie nach diesem Gespräch auch: die drei sind unglaublich sympathisch und entspannt, es macht Spaß sich mit Ihnen zu unterhalten – zwischendurch abzuschweifen und über FIFA-Teams und Fernsehserien zu diskutieren, nur um dann mit einem schuldbewussten Grinsen zu den eigentlichen Interviewfragen zurückzukehren. Nils, Daniel und David sind locker und natürlich, man könnte vieles über sie sagen, aber nicht, dass mir dort drei eingebildete Jung-Hipster gegenüber sitzen. Nichts bestätigt meine vorurteilshaften Erwartungen – ich frage mich woran das liegt. Wie kann eine Band medial so anders wirken, so viel weniger sympathisch als sie eigentlich ist? Vielleicht, weil Ironie nicht immer spürbar, erklärbar ist. Ein Song wie “Pink Pussy” wird schnell als das Werk von oberflächlichen Jungs abgestempelt, spricht man jedoch mit David über seine Lieder, so merkt man, dass deutlich mehr dahinter steckt und schmunzelt sogar selbst ein wenig, über die Art, wie er mit den typischen Themen Liebe, Sehnsucht, Ausbruch und Selbstfindung jongliert. Er verkehrt und ironisiert die typischen Themen des Erwachsenwerdens, aber nicht um sich über sie lustig zu machen, sondern um sie leichter zu machen, weniger melancholische Tiefe in sie zu legen und somit dem Prinzip von Pool treu zu bleiben: leicht und lässig zu sein, ein positives Lebensgefühl zu halten.
Verrückterweise verhält es sich mit der Musik der Band ähnlich wie mit ihrer Ausstrahlung. Habe ich in der Vorbereitung die Lieder noch mit einem Nicken und Wohlwollen gehört, sie jedoch als eigentlich zu leicht, vielleicht sogar belanglos abgetan, schaffen Pool es live ein vollkommen anderes Bild zu erzeugen. Energetisch und kraftvoller als ich es erwartet habe ist ihre Performance, die Lust macht zu Tanzen. Vor allem die älteren Lieder gefallen mir, sie sind funkiger und beatlastiger als die weichen Songs des Albums und haben eine treibende Kraft, die sich auf das Publikum überträgt. Obgleich die Besucheranzahl an diesem Abend überschaubar ist, herrscht eine gute Stimmung, die Leute tanzen, lachen und haben sichtbar Spaß, an dem was Pool abliefern. Knapp anderthalb Stunden hören wir der Band zu, Zeit genug, um über unsere anfängliche Einschätzung nachzudenken: Ja, Pool haben das Potential, einen Platz auf der Welle der Indie-Electro-Pop Bands zu finden; sie sind lässig und cool. Sie beherrschen ihre Instrumente gut und holen als Live-Band unglaublich viel aus ihnen heraus. Ja, ihr Album “Snacks & Supplies” ist ein leichter, eingängiger Soundtrack für den Sommer, jedoch auch nicht unbedingt für länger.
Pool haben ihre Lieblingstracks für euch notiert:
Interview von Meike Glass.